Karneval -Früher war auch nicht alles besser!

Obwohl ich doch eher eine kritische Einstellung zu Karneval von meinem Vater übernommen habe, kann ich das "Schäfer-Gen" nicht verleugnen.

Ein Kabarettist sagte mal: "Die Leute sagen immer, dass früher alles besser war!
Aber welches "früher" meinen die Leute: Das "früher", als man nichts zu essen hatte, oder das früher, als man nicht das Maul aufmachen konnte, ohne weggesperrt zu werden-.".

Dem kann ich mich nur anschließen als letztesmal im Freundeskreis das Wort vom "Karnevalsstress" hochkam.

Die Sache heute ist doch entspannt, wenn man mal auf seine Jugend zurückschaut.

Mein Elternhaus war im Zeitraum von 4 Wochen vor Karneval bis eine Woche danach in einem Ausnahmezustand.

Damals nähten die Leute ihre Karnevalskostüme noch selber.

Meine Mutter -also "Schäfers-Gertrud"- hatte die Kostüme ihrer Gruppe meistens schon im November fertig und es hätte so entspannt zur Sache gehen können.

Leider klappte es mit dem Nähen bei den anderen Gruppen meist nicht immer so gut und es hatte sich rumgesprochen, dass man bei Problemen in der Linderstrasse 17 geholfen bekam!

Also pilgerten nervlich aufgelöste Karnevalsgrüppchen mit ihren rudimentären Kostümen und Nähversuchen zu meiner Mutter, um sich Rat zu holen.

Meistens erkannte meine Mutter, daß hier eine kurze Beratung alleine nicht weiter hilft und packte selber an.

Nähtechnisch total unbegabte Karnevalgruppen wurden aus dem Nähkeller herauskomplemenetiert und bei "Mutzen" und "Likör" beim Opa in der Küche zwischengeparkt.

Opa machte dann die Animation und beruhigte die Nerven, während unten die Nähmaschine mit Vollgas lief.

Und oft hatte mich meine Mutter noch vor der Schule gebeten, die Nähmaschine zu reinigen und zu ölen, weil wieder eine Nachtschicht eingelegt worden war und auch der Vormittag genutzt werden musste.

Häufig wurde man morgens zur Schule verabschiedet: Bring Nähmaschinenöl mit!

Dass hieß: Nach der letzten Schulstunde im Eilmarsch nach Ahrweiler rein (Und ich hatte es da schwer, da ich figurtechnisch so wie Jannis war. Wir beide haben beim Film "Herrn der Ringe, Teil 2" vollstes Verständnis für die Probleme des Zwerges Gimli beim Lauf durchs Rohanland. )

In der Stadt wurde das Öl erworben und dann im Tiefflug zum "Ahrweiler Markt", um noch den Zug zu bekommen!

Kaum war man zu Hause, war die erste Bitte: "Könntest Du mal nach der Nähmaschine gucken".

Dann hieß es, eine glühendheisse Maschine einer Wartung zu unterziehen. Von der Arbeit also dem vergleichbar, was heute Mechaniker bei der "Paris-Dakar" an rotglühenenden Motorteilen vollbringen. Und in der Ohsedränk gab es zwar genügende Asbest, aber keine Handschuhe aus dem Stoff!

Naja, die brandblasen sind längst verheilt, aber einer der Lieblingssprüche meiner Mutter in dem Zusammenhang "Karneval" vergesse ich nie: "Besser wirft man nichts weg, man kann es immer noch für Karneval brauchen!".

P.S: Und das ging so weit, dass über das ganze Jahr Stoffe im Sonderangebot gekauft wurden, da man sie vielleicht einmal für Karneval nutzen könnte. Ich glaube, jetzt lagern die Stoffe noch ballenweise im Keller auf der Ohsedränk!

P.P.S: Die alte Privileg-Nähmaschine steht ungenutzt bei uns im Keller und komischerweise habe in der Zeit vor Karneval den zwanghaften Trieb, das Teil zu ölen...Merkwürdig!

Aber andererseits: Wir Christen glauben ja an die Auferstehung der Toten und wer sagt uns, das das nicht vor Karneval ist. Und wenn dann die Nähmaschine nicht geht, könnte das ganz schön Kasalla von den Ahnen geben!

Kommentare

Frau Dinktoc hat gesagt…
Stimmt - hatte ich ganz vergessen, wie gut deine Mutter nähen konnte. Jetzt ist mir auch wieder Iris' weinrotes Abendkleid und meine weiße Sommerhose aus einem ausgemusterten Bettlaken eingefallen. Lang ist's her. War aber doch schön, damals in der guten alten Zeit, als die Karnevalskostüme noch selbst genäht wurden (macht meine Mutter heute noch!).